Text Archiv : Space
Space is the place, der Titel eines Sun Ra-Klassikers, wurde spätestens am 5. Juli 1969 für Weltraumenthusiasten zumindest vorübergehend zum Leben erweckt: The eagle has landed und That's one small step for man, a giant leap for mankind wurden seit der Mondlandung zu wahrhaft geflügelten Wörtern.
Doch schon bevor sich Richard Nixon noch einmal in einem Publicityerfolg sonnen konnte, erfüllte der Klang der Kommunikation mit diversen Satelliten, unbemannt, oder mit Hund (Laika) oder Astronaut unterwegs um den Globus und weiter hinaus, den Äther. Natürlich fand das Gezirpe von Sputnik I-IV (1957-58), das Geblubber von Explorer I (1958) oder das Gequake von Echo I (1960) und Lunik I (1959) ihren Weg auf diverse Geräuschplatten, die dem Weltraum gewidmet waren.
Besonders nach der Mondlandung waren solche Platten kurzzeitig überaus beliebt. Mit den zwar originalen, aber nichtsdestoweniger kaum verständlichen Funksprüchen von Wostok I (1961) bis Mercury 6 (1962), und von Woschod I (1964) bis Apollo 10 (1969) nahm die Welt teil am Wettlauf der beiden Großmächte ins All. Da durften natürlich auch Interviews mit den Deutschen Pionieren der Raketentechnik nicht fehlen, insbesondere mit Wernher von Braun, der fast zu einem amerikanischen Nationalhelden mutierte, während seine Rolle in der NS-Zeit dezent unter den Tisch gekehrt wurde.
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Sun Ra
I'm actually painting pictures of infinity with my music, and that's why a lot of people can't understand it. And when I say so, a lot of people don't believe me. But if they'd listen to this and other types of music, they'll find that this has something else in it, something from another world.
Komponist, Bandleader, Pianist, Exzentriker, Guru, Arrangeur ... - Sun Ra in wenigen Worten zu beschreiben scheint unmöglich. Als Herman Sonny Blount um 1910 in Birmingham, Alabama, geboren, studierte er dort zunächst Musik, bevor er in den späten 30ern nach Chicago ging, dort mit Musikern wie Coleman Hawkins und Stuff Smith arbeitete, und sich schließlich dem Bandleader Fletcher Henderson als Pianist und Arrangeur anschloß. Seit ca. 1956 begann er seine eigene Bigband aufzubauen, aus der schließlich sein arkestra hervorging.
Einige Mitglieder seines Ensembles blieben praktisch ihr ganzes Leben bei Sun Ra und verzichteten auf eine Solokarriere, so z.B. der Tenorsaxophonist David Gilmore, dem John Coltrane seinerzeit einiges abgeschaut hat, oder der Altsaxophonist Marshall Allen, der das Orchester seit Ra's Tod leitet. Durch seine starke Ausstrahlung hat es Sun Ra geschafft, über mehr als 35 Jahre mit großer Disziplin und Inspiration ein Ensemble zusammenzuhalten, das seinen eigenen unverwechselbaren Klang und Stil hatte. Die Konzerte des arkestra (oder Intergalactic Research Arkestra) waren immer auch ein theatralisches Ereignis, die Musiker traten in Phantasiegewändern auf, bunten Umhängen, paillettenbesetzten Kappen und anderen phantasievollen Kleidern, welche die Herkunft des Orchesters vom anderen Stern unterstreichen sollten.
Trotz der reichlich merkwürdigen Mythologie, mit der sich Sun Ra nicht ohne Selbstironie umgab, war er in Musikerkreisen eine der am meisten respektierten Persönlichkeiten. Seine Musik umfaßte die gesamte afro-amerikanische Tradition und erweiterte gleichzeitig deren Grenzen. In den Konzerten des arkestra konnte eine komplexe moderne Komposition abgelöst werden durch einen Swingtitel im Stil der Bands der 30er Jahre (und deswegen nicht weniger komplex), gefolgt von einem Solo Ra's auf dem Moogsynthesizer (er gehörte zu Pionieren auf diesem Instrument, nicht nur im Jazz), was etlichen Europäern Schwierigkeiten bereitete:
Es war so voller Energie, ich sage euch, diese ersten zwanzig Minuten waren erstklassige experimentelle Avantgarde-Musik, die man in keine Schublade stecken kann. Es war unglaublich assymmetrisch! ... Aber nach diesem Stück kam irgendeine wischi-waschi Salon-Musik. Hat mir überhaupt nicht gefallen. So eine Art billiger Filmmusik. So Karl-Heinz Stockhausen nach einem Konzert 1971.
Sun Ra genoß in Ägypten großes Ansehen, ein für die Verwaltung der Altertümer zuständiger Regierungsbeamter bemerkte einmal, er habe niemals jemanden getroffen der so wie Sun Ra die große Weisheit verkörpert, die dieser Name traditionell impliziert. Zahlreiche Platten erschienen in kleiner Auflage im eigenen Saturn-Label und werden sukzessive auf CD wiederveröffentlicht.
Sun Ra starb 1993, sein arkestra versucht, die Tradition weiterzuführen.
I write according to the day, the minute, and what's going on in the cosmos. And actually each one of my numbers is just like a news item, only it's like a cosmic newspaper.