Eritreas einzigartige Musik.
Wie Songs die Geschichte des Landes erzählen.
Ein Feature von Kalle Aldis Laar.
Bayerischer Rundfunk 2020
Oktober 2020, BR2;
April 2021 Österreichischer Rundfunk OE1
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Von der Kolonialzeit über den zweiten Weltkrieg, der Gründung der UN und den wechselnden Allianzen während des kalten Krieges bis zum Post-Kolonialismus und seinen Unabhängigkeitsbewegungen: alle weltpolitischen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts haben Eritrea direkt betroffen und Spuren hinterlassen.
Eine der ersten Beschlüsse der Vereinten Nationen machte die ehemalige italienische Kolonie zu einer Provinz Äthiopiens, das mal mit Hilfe der USA, dann der Sowjetunion in einer 30-jährigen Auseinandersetzung erfolglos versuchte, die Annexion militärisch durchzusetzen.
Die Italiener hinterließen ein architektonisches Weltkulturerbe, die US-Soldaten brachten mit dem Horchposten "Kagnew Station" amerikanisches Radio in die Hauptstadt Asmara. Nach einem 30-jährigen Kampf errang Eritrea 1991 die Unabhängigkeit.
Musik begleitet das Leben der Eritreer, gerade die Geschichte des Unabhängigkeitskampfes hat sich hier intensiv abgebildet. Die Musiker sind das Herz und die Seele Eritreas.
Zunächst als Teilnehmer eines Kunst- und Kulturprojektes von artcircolo 2012 und pilotraum01, reiste Kalle Aldis Laar danach mehrfach nach Eritrea, zuletzt gefördert durch ein "Grenzgänger-Stipendium" der Robert-Bosch-Stiftung. Er interviewte zahlreiche Musiker, sprach mit Musikologen und forschte in Archiven.
Mit Hilfe ausgewählter Songs und Gesprächsausschnitten nähert er sich in diesem Feature der eritreischen Geschichte an.
"Seit meiner ersten Ankunft in Asmara, der Hauptstadt Eritreas vor fast zehn Jahren fasziniert mich die überaus wechselvolle Geschichte dieses Landes. Inzwischen lande ich hier zum fünften Mal. Und ich versuche immer noch, genauer zu verstehen, wie das große weltpolitische Theater des 20. Jahrhunderts Einfluss auf die Geschicke und das Territorium Eritreas genommen hat. Vom Kolonialismus über den Kalten Krieg bis heute.
Jedes Jahr fliehen tausende Eritreer aus ihrer Heimat. Vielen bietet das Land keine Perspektive, es gibt willkürliche Verhaftungen, unbefristeten Militärdienst und die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Eine Ausreise ist nur möglich mit besonderer Genehmigung. Lange Zeit war man verstrickt in einen aufreibenden Grenzkonflikt mit dem Nachbarland Äthiopien.
Trotzdem zieht es mich hierher. Ich muss zugeben, dass ich mich verliebt habe in diese unglaubliche Stadt Asmara, in ihre Bewohner. Und in ihre Musik.
Bei einer Tanzparty höre ich zum ersten Mal eine elektrisch verstärkte Krar, und der Sound haut mich fast um. Dieses eigentlich uralte traditionelle Instrument, das wie ein U geformt ist und einer Leier ähnelt, klingt hier nach Rockband. Und die Verzerrung ist durchaus nicht einer etwa minderwertigen Anlage geschuldet, wie ich gleich in spontaner westlicher Überheblichkeit vermute. Vielmehr stellt der Sänger und Krar-Virtuose seinen Sound genau so ein, wie er ihn haben will.
Das ist der Beginn einer Entdeckungsreise, in diese unbekannte musikalische Landschaft, die in keiner Weltmusikabteilung eines Plattenladens zu finden ist. Die Musik dieses kleinen Landes am Roten Meer erzählt mir seine turbulente Geschichte. Jede Phase, jedes Ereignis hat einen eigenen Song ..."
o p e n c l o s e d b o r d e r s – Grenzgängerfestival, Literarisches Colloqium Berlin 2020. Gespräch mit Kalle Aldis Laar über Eritrea und sein Radio Feature
Zeyneb Beshir, Mohammed 'Wedi' Druf, Abreham Stifanos 'Zemach'
Tekbaru Tekly; Konzert Kalle Laar, Hakosae Club, Asmara; Party im Expo Club, Musiker mit elektrischer 'Krar'
Bereket Mengisteab, afrikanische Musikerlegende, und Jaber Mahmoud, Musiker seit den 1960er Jahren in Asmara, im Interview; Yohannes Tikabo: Fewsi Lbi, CD, Megamix Studio Asmara Eritrea 2009
Solomon Tsehaye, Dichter, Schriftsteller und Kulturhistoriker, Director of the Cultural Affairs Office, Ministry of Education. Dichter der Nationalhymne Eritreas; seine vier Jahre lange Feldforschung zur Tradition oraler Dichtkunst Eritreas führte zum ersten Band seiner Sammlungen und Forschungen (in Tigrinya), erschienen 2013; Mekonen Kidane, Director Research and Documentation, Cultural Affairs Office PFDJ, Leiter des Musikarchivs; Tesfemichael Keleta, Bereket Mengisteab, Kalle Aldis Laar